Die Kraft der Worte – die Entschuldigung

Die Kraft der Entschuldigung

Ein neuer Bereich in mein Leben getreten, der mir viele schöne, berührende, freudvolle und besondere Momente bereitet.
Nach einer Fortbildung bin ich jetzt ehrenamtlich Schulmediatorin in einer Braunschweiger Grundschule: an mehreren Vormittagen pro Woche sind jeweils 2 Mediatoren im sogenannten „Raum der guten Lösungen“ bereit, um Kinder bei Konflikten, Streitereien, Problemen und Sorgen so zu unterstützen, dass sie selbst eine gute Lösung finden (Mediation =“Lösungsfindungs-Begleitung“).

Besonders beeindruckt bin ich von der Klarheit und Versöhnlichkeit der Kinder und ihrer oft großen sozialen Kompetenz und den meist leichten und unkonventionellen Lösungen, die sie selbst finden.
Und mir fällt auf, wie groß das Bedürfnis der Kinder ist, von Erwachsenen ernstgenommen zu werden und die ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhalten.

Der Schlüssel der Mediation liegt darin, in ruhiger wohlwollender und konzentrierter Atmosphäre allen Beteiligten Raum zu geben, ihre jeweilige Sicht zu schildern, die eigenen Gefühle zu benennen und die Sicht und Gefühle des Anderen zu erfahren. Diese Gesehen-und-Gehört-Werden ist ein Schlüssel und Türöffner. Wer sich selbst gesehen und gehört fühlt, dem ist es viel leichter, dem Anderen ebenfalls mit Offenheit zuzuhören und zu versuchen, dessen Gefühle wahrzunehmen.
Kurz vor Ende der ca. 10-20-minütigen Mediation geht es dann darum, dass die Beteiligten selbst Lösungen vorschlagen und Lösungen finden. Und aus der aufmerksamen gegenseitigen Offenheit zeigt sich die Lösung oft ganz leicht.

In der Fortbildung haben wir viel Zeit darauf verwendet, zu lernen, als Mediator keine Lösungsvorschläge zu machen und ergebnisoffen zu sein. Auch für ungewöhnliche Vorschläge und Lösungen.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es uns Erwachsenen SO schwer fällt, KEINE Lösungen vorzuschlagen.
Wenn Kinder sich streiten oder über Sorgen und Probleme berichten, flutscht anscheinend den meisten Erwachsenen ein „guter Rat“ oder eine diplomatische oder „vernünftige“ Lösung heraus.
Das ist aber oft gar nicht das, was die Kinder wollen. Was sie wollen und wie für sie eine gute Lösung aussieht, können sie nur selbst herausfinden.

Auf unsere Frage „Was meint ihr, was könnte denn jetzt die Lösung sein? Was könnt ihr machen, damit es euch wieder gut geht?“ finden die Kinder oft ganz leicht und schnell Lösungen, die wirklich für alle Beteiligten stimmig sind. Wir Erwachsenen stellen dann fest, dass dies oft auch Lösungen sind, auf die wir nicht gekommen wären, weil wir sie z.B. als unlogisch, nicht angemessen oder ungerecht empfinden.

Erstaunt bin ich, wie oft die Kinder nach dem vorherigen Prozess des Gehört-und-Gesehen-Seins die Entschuldigung als Lösung vorschlagen und in welcher Form diese Entschuldigung dann erfolgt.

„Und wie wollt ihr das mit der Entschuldigung machen?“
Die Kinder wenden sich einander zu, manche stehen dabei auch auf, und es folgt lächelnd ein offener gegenseitiger Blick, ein Händedruck und das Wort „Entschuldigung“.
Meist antwortet dann das andere Kind zeitgleich oder unmittelbar danach ebenfalls mit dem Wort „Entschuldigung“, d.h. die Kinder entschuldigen sich sehr oft gegenseitig.

Es ist meist nur dieses eine Wort. Keine Erklärung, kein Satz, keine Nachfrage, kein „Ja, aber…“.

Ich persönlich finde es sehr bemerkenswert, wie stark die Kraft der Entschuldigung bei den Kindern wirkt und dass sie dafür meist nur dieses eine Wort benötigen. Danach ist die Sache tatsächlich aus der Welt und alle Beteiligten sind innerlich und äußerlich wieder klar, freundlich, ruhig und neutral oder wohlwollend miteinander.

Wenn es doch bei uns „Großen“ ebenso einfach wäre…..

Aber eigentlich ist es das.
Auch wir Erwachsenen spüren die Kraft des Wortes, wenn es in voller Präsenz gesagt wird. Es kommt auf die Verbindung mit der Energie der Herzebene und/oder der inneren Weisheit an.
Wenn Worte nicht so kraftvoll, klar und wirksam ankommen hat der Sender sie meist nicht mit der entsprechenden Energie verknüpft. Oder der Empfänger ist noch nicht bereit, die Botschaft wirklich wahrzunehmen.
Es braucht beides: die Sammlung und Präsenz des Senders und die Offenheit des Empfängers.

Probiere es gern selbst aus:
Frage jemanden aus deinem Umfeld, ob du ihm etwas Stärkendes, Liebevolles oder Positives sagen darfst. Falls ja, sammle dich, spüre das, was du ausdrücken möchtest als Bild, als Gefühl in dir. Finde die richtige Ebene (Herzebene/innere Weisheit) und konzentriere dieses Bild und Gefühl auf ein Wort. Schaue dein Gegenüber offen und wohlwollend an und dann sprich nur das eine Wort. Das Wort, in das du all deine Präsenz legst.
Und dann nimm wahr, was bei deinem Gegenüber ankommt oder bitte um Rückmeldung.
Wenn ihr möchtet, könnt ihr es auch nochmals wiederholen. Und dieses Mal veränderst du – ohne es anzukündigen – die Energie. Ist die Veränderung für dein Gegenüber wahrnehmbar gewesen?

Dies ist eine wundervolle Präsenzübung und eine Erfahrung, wie entscheidend die dazugehörige Energie die Wirkung und Kraft der Worte beeinflusst.

Herzliche Grüße
Anja Trude

Foto:©PIRO4D, pixabay