Mir fällt wieder einmal auf, wie relativ ich die Zeit empfinde.
An machen Tagen und Wochen scheint die Zeit fast stillzustehen und zu anderen Zeiten vergeht sie scheinbar wie im Fluge.
Habe ich kein gutes Zeitgefühl?
Was heißt überhaupt „gutes Zeitgefühl“? Zeit-Gefühl. Ist das Wort „Zeit-Gefühl“ nicht an sich ein Paradoxon? Die gefühlte Zeit zeichnet sich doch gerade dadurch aus, dass sie nicht der gemessenen Zeit entspricht. Es ist doch gerade das Subjektive und die Art und Qualität des Erlebens, die die Zeit so individuell wahrnehmbar macht.
Früher dachte ich, dass es mit dem Wohlgefühl zusammenhängt, wie man die Zeit empfindet: schöne Momente erscheinen kurz, unangenehme Situationen erscheinen lang.
Aber so einfach ist es nicht.
Es gibt schöne Momente, in denen sich die Zeit in die Ewigkeit ausdehnt und zeitlos wird. Kennst du das? Erinnerst du dich an einen solchen Moment? Vielleicht war es ein Blick, eine Berührung oder ein anderer besonderer Moment, in dem die Zeit stillzustehen und ewig zu werden schien.
Und dann gibt es andere schöne Momente, bei denen die Zeit wie im Fluge vergeht.
In unangenehmen Momenten ist es häufig so, dass sich die Zeit sich zu dehnen scheint und auf unangenehme Weise „ewig lang“ wird.
Gibt es eigentlich auch unangenehme Momente, die gefühlt sehr schnell vergehen, während man sie erlebt?
Mir ist aufgefallen, dass mir manche längst verstrichenen Ereignisse so vorkommen, als wären sie erst gestern gewesen.
Und andere gerade erst geschehenen Ereignisse erscheinen mir als ewig weit entfernt.
Und dann nehme ich seit einiger Zeit noch eine dritte Form der Zeitwahrnehmung bewusst wahr.
Das selbe Ereignis erscheint mir gleichzeitig lange her und gerade eben erst geschehen.
Als mir dies das erste Mal bewusst wurde, war ich doch einigermaßen erstaunt.
Die Zeit. Was ist das eigentlich?
Was messen wir eigentlich mit unseren Uhren?
Gibt es „die Zeit“ überhaupt?
Kann man Zeit überhaupt mit mechanischen Instrumenten messen?
Oder ist Zeit ein theoretisches Konzept, das wir „erfunden“ haben, um die Tage in überschaubare Portionen zu unterteilen und kontrollierter und präziser unsere Abläufe mit denen anderer abzustimmen?
Und wie ist das mit dem Zeit-Gefühl? Was meint eigentlich Zeit-Gefühl? Hat man ein gutes Zeit-Gefühl, wenn die gefühlte Zeit mit der gemessenen Zeit übereinstimmt? Ich nehme an, so meinen es die meisten Menschen, wenn sie von einem guten Zeitgefühl sprechen. Dass man also sein inneres Zeitempfinden der äußeren Uhren-Zeit anpasst.
Vielleicht kann ein gutes Zeit-Gefühl auch etwas ganz anderes meinen:
Vielleicht ist ein gutes Zeit-Gefühl die eigene bewusste Wahrnehmung und Entscheidung, ganz präsent im jeweiligen Augenblick zu sein und sich darauf einzulassen. Verbunden mit dem Wissen und Vertrauen, dass alles „seine Zeit“ hat.
Es zulassen, dass die Zeit verschieden schnell vergeht und voller Offenheit und Wachheit wahrnehmen, wie die Zeit in diesem Moment gerade für mich „ist“,
sich gestatten, die eigene freie individuelle Zeit (Frei-Zeit) bewusst zu leben und wahrzunehmen, dem eigenen Zeitempfinden Raum zu geben, der eigenen inneren Zeit nachzugeben und nachzugehen, ohne äußere Zeiteinheit…
Innehalten, Zeit für dich, deine Zeit, deine Zeitlosigkeit, deine Ewigkeit erleben:
es ausprobieren und erfahren, immer öfter oder immer mal wieder, du ganz für dich mit dir in deiner eigenen zeitlosen Ewigkeit.
Zeit zu haben auch ohne Zeit.
Ich diesem Sinne wünsche ich dir eine „gute Zeit“.
Herzliche Grüße
Anja Trude