„Glaube ist Glaube an Unsichtbares.
Wissen ist Glaube an Sichtbares.“
(Oswald Sprengler)
Beim ersten Lesen dieses Zitates dachte ich: „ja genau, gut gesagt“.
Aber beim genaueren Lesen und Nachspüren fiel mir auf, dass die Sätze viel mehr beinhalten, als ich beim ersten Überfliegen wahrgenommen hatte.
Der Stolperstein oder Schlüssel in diesen Sätzen ist für mich das Wort „Glaube“ in der Satzmitte:
Glaube ist Glaube an Unsichtbares.
Wissen ist Glaube an Sichtbares.
Was ist das eigentlich für eine Definition, bei der man einen Begriff mit sich selbst erklärt und einen völlig anderen Begriff mit dem selben Begriff erklärt?
Glaube ist Glaube.
Wissen ist Glaube.
Demnach wären sowohl „Glaube“ als auch „Wissen“ einfach nur verschiedene Glaubensformen:
„Wissen“ ist eine Form des Glaubens: der Glauben an Sichtbares.
Und „Glaube“ ist ebenfalls eine Form des Glaubens: der Glauben an Unsichtbares.
Dann läge der einzige Unterschied zwischen „Wissen“ und „Glaube“ einfach nur in der Sichtbarkeit oder Unsichtbarkeit dessen, worum es in diesem Glauben geht. Also entscheidet allein das Sehen/der Sehsinn darüber, was als Wissen und was als Glaube gilt?
Dass „Glaube“ ein Glaube ist, würde die meisten wahrscheinlich nicht wundern und auch, dass es dabei um Unsichtbares geht, ist gut vorstellbar. Aber wer hätte gedacht, dass auch „Wissen“ ein Glaube ist und der einzige Unterschied zum „Glaube“ nur die Sichtbarkeit sein soll? Diese Definition würden etliche Wissenschaftler wohl empört zurückweisen.
Was ist Glaube? Was ist Wissen?
Die beiden Begriffe scheinen in unserer Gesellschaft unterschiedlich gewertet zu werden:.
* Wissen ist das, was beweisbar und real erscheint. Wissen wird oft mit einer umfangreicher Kenntnis und mit Wahrheit gleichgesetzt. Wissen findet in der Gesellschaft Wertschätzung und Anerkennung.
* Glaube erscheint unbeweisbar und irreal. Glaube erscheint oft als naiv, ohne jede nachvollziehbare Grundlage. Glaube wird häufig eher abgetan und findet kaum Wertschätzung und Anerkennung.
Was ist Glaube? Was ist Wissen?
Bei Wikipedia steht:
„Unter Glauben versteht man ein Fürwahrhalten ohne methodische Begründung.[1] Glauben in diesem Sinne bedeutet, dass ein Sachverhalt für scheinbar (hypothetisch) wahr oder wahrscheinlich gehalten wird.“ (Zitat: Wikipedia, Okt. 2017, [1]= Brockhaus)
„Als Wissen wird üblicherweise ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den größtmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird. Paradoxerweise können daher als Wissen deklarierte Sachverhaltsbeschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein.“ (Zitat: Wikipedia, Okt. 2017)
(Den letzten Satz finde ich ganz besonders spannend, bemerkenswert und aufschlussreich….)
Beide Definitionen beziehen sich auf die Wahrheit:
Der Glaube hält etwas für wahr. Das Wissen geht von Wahrheit aus.
Etwas „für wahr halten“ oder „von der Wahrheit ausgehen“, ist das dann Wahrheit, ist das dann wahr?
Was ist Glaube? Was ist Wissen? Was ist Wahrheit?
Während ich früher Wissen und Glaube deutlich unterschied, kann ich im Moment für mich persönlich keine klare Definition für die beiden Begriffe finden. Die Grenzen verwischen, die Übergänge sind fließend.
Das liegt vor allem daran, dass ich immer wieder eine Form des Wissens selbst erfahren habe und erfahre, bei dem es um Unsichtbares geht, um Themen und Bereiche, die (bisher oder per se?) nicht erklärbar oder beweisbar sind; Themen und Bereiche, die ich früher „Glaube“ genannt hätte. Und anfänglich habe ich mich sehr schwer damit getan, plötzlich Dinge wahrzunehmen und zu „wissen“, die nicht sichtbar und – im herkömmlichen Sinne – nicht beweisbar waren, die aber trotzdem für mich eindeutig wahrnehmbar und „wahr“ waren.
Dieses Wissen ist ein Wissen, das sich entweder auf Eigenerfahrung und Wahrnehmung gründet oder oft auch ein Wissen, dass „einfach da ist“.
Diese Form des Wissens „fühlt“ sich – im Unterschied zum sonstigen Wissen – anders an:
ich weiß bei bestimmten Themen oder Fragen plötzlich mit völliger Gewissheit, das es – zumindest für mich – so und so ist.
Nach anfänglichen Unsicherheiten und Zweifeln entstand eine innere Gewissheit, die stärker wurde, als ich lernte, meiner (inneren) Wahrnehmung und meiner Intuition, meinem inneren Wissen zu vertrauen.
Und diese Form des Wissens bedingt und bewirkt eine zunehmende Toleranz und Freiheit gegenüber (vermeintlichen) Grenzen und gegenüber anderen Glaubenssystemen und Andersdenkenden.
So sind jetzt auch „Wahrheit“ und „wahr“ für mich etwas anderes, als ich früher dachte. Früher dachte ich, es gäbe DIE allgemeingültige absolute Wahrheit für alle Menschen. Heute sehe ich das anders. Ich behaupte nicht mehr, dass es die allgemeingültige Wahrheit gibt (und vor allem nicht, dass ich diese Wahrheit für alle Menschen kenne… ;-) ).
Was ich für wahr halte oder als meine Wahrheit sehe, verändert sich mit wachsender Erfahrung und Bewusstheit immer wieder und immer weiter.
Und es kann sogar zum selben Thema und zur gleichen Zeit in mir verschiedene Wahrheiten geben, je nachdem, in welcher „Rolle“ und auf welcher Ebene ich gerade bin. So gibt es also auch für mich selbst nicht die absolute Wahrheit.
Aus meiner Sicht erschafft sich/findet/erfährt jeder Mensch seine eigene Wahrheit. Diese entsteht unter anderem aus der eigenen Erfahrung, dem persönlichen Erleben, dem Grad der Bewusstheit, dem eigenen Weltbild, der eigenen Offenheit und Fähigkeit, sich auf andere Menschen, Meinungen und Erfahrungen einzulassen und auch Fremdes und Neues für möglich oder möglicherweise wahr zu halten.
Und parallel zur eigenen Wahrheit gibt es – aus meiner Sicht – kollektive Wahrheiten: Wahrheiten die sehr viele Menschen für wahr halten. Das heißt natürlich nicht, dass die kollektive Wahrheit unbedingt wahr sein muss, auch wenn sie wahr erscheint und so viele sie für wahr halten.
(Eine dieser kollektiven Wahrheiten war z.B. „Die Erde ist eine Scheibe.“….)
Und obwohl es aus meiner Sicht keine absolute Wahrheit gibt, so glaube/weiß ich dennoch, dass es eine übergeordnete, eine höhere Wahrheit/eine höhere Weisheit gibt.
Aber das ist eine andere Ebene und ein neues Thema…
Was ist Glaube? Was ist Wissen? Was ist Wahrheit?
Ich wünsche dir viel Freude und gute Erfahrungen beim Wahrnehmen, Nachspüren oder Finden dessen, was für dich Glaube, Wissen und Wahrheit ist
und was für dich dein Glaube, dein Wissen, deine Wahrheit ist.
Herzliche Grüße
Anja Trude